Podiumsdiskussion, Dienstag, 26. November 2013, 19 Uhr


KULTUR HORIZONTE lädt zur Podiumsdiskussion

Gewalt im Namen der Ehre und ihre Auswirkungen auf die pluralistische Gesellschaft

Foto: Verein MaDonna Mädchenkult.Ur e.V. gemeinsam mit Jugendlichen aus Berlin Neukölln

Foto: Verein MaDonna Mädchenkult.Ur e.V. gemeinsam mit Jugendlichen aus Berlin Neukölln

Dienstag, 26. November 2013, 19 Uhr

Ort: Albert-Schweitzer-Haus, Schwarzspanierstr. 13, 1090 Wien

Podiumsgäste:

Ahmad Mansour: Geschlechterrollen zwischen Religion und Tradition.

Moni Libisch und Ercan Nik Nafs: Das Konzept der Ehre in traditionellen Familien aus der Türkei und sein Wandel in der Diaspora – eine theoretische und praxisbezogene Reise.

Moderation: Nina Scholz

Im Anschluss an die Diskussion laden wir zu einem kleinen Umtrunk ein.

Die Einwanderung aus Ländern, in denen ein traditioneller, im Kern stark mit Sexualität verknüpfter Ehrbegriff eine große normative Kraft besitzt, stellt viele westeuropäische Gesellschaften vor neue Herausforderungen. Dazu zählt die Konfrontation mit einer auf diesen Ehrvorstellungen basierenden Gewalt, die meist erst dann ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerät, wenn sie in der Ermordung einer Frau (in der Regel der Tochter oder Schwester) gipfelt. Hinter jedem Ehrenmord stehen zahlreiche Mädchen und Frauen, die von ihren Familien – ob subtil, still und leise oder offen gewalttätig – zu einem Leben gemäß überkommener Ehrvorstellungen gedrängt werden. In der Regel bleibt es unbemerkt vom Rest der Gesellschaft, dass Mädchen und Frauen, aber auch Burschen und Männer – mit unterschiedlichen Spielräumen – nicht frei entscheiden können, ob sie heiraten wollen oder nicht, sich ihren Ehepartner nicht selbst aussuchen und das Leben nicht nach eigenen Wünschen und Vorstellungen gestalten können. Schätzungen zufolge werden in den Europaratsländern jährlich tausende Mädchen und Frauen von ihren Familien zur Heirat gezwungen, vor allem Töchter aus muslimischen, aber auch aus jesidischen, koptischen oder Roma-Familien und solche indischer oder afrikanischer Herkunft, wobei die Dunkelziffern sehr hoch liegen dürften. Frühe Verheiratung dient hier in erster Linie der Vermeidung vorehelicher sexueller Kontakte und des Verlusts der Jungfräulichkeit, mit welcher der Verlust der Ehre der gesamten Familie verbunden wird. Zwangsheirat ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte der davon Betroffenen. Diese Menschenrechtsverletzungen wurden – obwohl sie hier, mitten unter uns, in unserer Gesellschaft stattfinden – jahrzehntelang ignoriert, weil sie bei „den Anderen“ passierten, die nicht als Teil der Gesellschaft betrachtet wurden. Gewalt im Namen der Ehre stellt ein Integrationshindernis dar, weil sie Mädchen und Frauen in ihrer Suche nach einem selbstbestimmten Platz in der Gesellschaft be- und somit gesellschaftlich angestrebte Chancengleichheit verhindert.

Die meisten Initiativen, die sich mit der Thematik Gewalt im Namen der Ehre und Zwangsheirat befassen, setzen beim Opferschutz an, sie beraten, vermitteln in den Familien oder bieten Unterstützung in Krisensituationen, wie etwa die Unterbringung von Hilfesuchenden in geschützten Unterkünften.

Die Veranstaltung soll neben einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Ehrbegriff die Präsentation möglicher Konzepte der Präventionsarbeit mit Burschen im Sinne von best practice in den Vordergrund rücken, denn es sind Burschen, die von klein auf zu Wächtern und Verteidigern der Familienehre erzogen werden – selbst Opfer rigider Ehrvorstellungen, sind sie es, die später (potentiell) als Täter in Erscheinung treten.

Ahmad Mansour
geb. 1976 in einem arabischen Dorf in Israel. Lebt seit 2005 in Deutschland. Studium der Psychologie, Soziologie und Anthropologie an der Universität Tel Aviv und Berlin. Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei ZDK Gesellschaft Demokratische Kultur, seit 2009 Gruppenleiter im Projekt „HEROES – Gegen die Unterdrückung im Name der Ehre und für Gleichberechtigung“ in Berlin, Policy Advisor bei der Stiftung European Foundation for Democracy, Mitglied der Deutschen Islam Konferenz.

Moni Libisch
Studium der Soziologie und Afrikanistik an der Universität Wien, Ausbildungen als Diplomsozialarbeiterin und Erlebnispädagogin, Einrichtungsleiterstellvertreterin bei „JUVIVO.15 – aufsuchende Kinder- und Jugendarbeit“ in Wien. Arbeitsschwerpunkte: Offene Kinder- und Jugendarbeit, Suchtprävention, interkulturelle Mädchen- und Burschenarbeit, Gender Mainstreaming und Diversität.

Ercan Nik Nafs
geb. 1972 in Mazgirt, einer kurdischen Stadt der Türkei. Lebt seit 1992 in Österreich. Studium der Elektrotechnik und Politikwissenschaft in Wien. Seit 1994 Mobiler Jugendarbeiter in Wien und seit 2010 Leiter der Einrichtung „Back on Stage 10“ der Mobilen Jugendarbeit Favoriten. Arbeitsschwerpunkte: Grundlegende Bedürfnisse der Menschen in Städten und Menschenrechte, insbesondere die Situation von Vertriebenen aus Kriegsgebieten.

Nina Scholz
Politikwissenschaftlerin und Autorin. Zuletzt erschienen: Nina Scholz, Heiko Heinisch, Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf?, Passagen Verlag Wien 2012.

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